Gestaltung digitaler Identitäten im Kontext von Web3

Erforschung potenzieller Identitätslösungen in einer dezentralen Welt

Meine Masterarbeit entstand im Rahmen des Masterstudiengangs InterMedia an der FH Vorarlberg unter der Betreuung von Mag. Dr. Margarita Köhl, MAS, sowie in den vorangegangenen Semestern unter Prof. (FH) Michael Kneidel und Prof. (FH) Dr. Karl-Heinz Weidmann. Ziel der Arbeit war es, die Entwicklung digitaler Identitäten im Kontext tiefgreifender technologischer und gesellschaftlicher Umbrüche zu analysieren und diese Erkenntnisse in ein gestalterisch sowie technisch tragfähiges Konzept zu überführen. Angesichts der zunehmenden Digitalisierung und der damit einhergehenden Verlagerung zahlreicher Lebensbereiche in den virtuellen Raum stellte sich für mich die Frage, wie klassische Identitätskonzepte – bisher meist durch staatliche Dokumente verankert – adäquat in die digitale Sphäre übertragen werden können. Zugleich eröffnete der technologische Fortschritt im Rahmen von Web3 neue Möglichkeiten, den Nutzer:innen mehr Selbstbestimmung und Datensouveränität zu gewähren. Diese Herausforderungen und Potenziale bildeten den Kern meiner Untersuchung, in der ich theoretische Grundlagen aus der Soziologie mit praktischen Aspekten der digitalen Umsetzung verknüpfte.

Projektkontext und Ausgangslage

Die Ausgangslage meiner Untersuchung beruhte auf der Beobachtung, dass herkömmliche Modelle der Identitätsbestätigung den Anforderungen einer digitalisierten Gesellschaft nicht mehr gerecht werden. In einer Zeit, in der Identitäten vermehrt über Online-Profile, digitale Zertifikate und selbstverwaltete Daten entstehen, wird die Frage nach Authentizität und Sicherheit der digitalen Selbstdarstellung immer drängender. Gesellschaftliche Entwicklungen fordern zunehmend transparente und nutzerzentrierte Gestaltungskonzepte – sei es im sozialen, beruflichen oder administrativen Kontext. Vor diesem Hintergrund entwickelte ich zwei innovative Konzeptansätze, die den Einsatz dezentraler Technologien mit einem interdisziplinären Designansatz verbinden und somit die traditionellen Grenzen der Identitätsbildung erweitern und neu definieren sollen.

Zielsetzung und Designstrategie

Im Kern verfolgte ich das Ziel, digitale Identitätslösungen zu entwerfen, die den gestalterischen und technischen Anforderungen einer modernen, dezentralen Welt gerecht werden. Es sollte ein Konzept entstehen, das den gesamten Lebenszyklus digitaler Identitäten – von der Erstellung über die Verwaltung bis hin zur Überprüfung und Präsentation – abbildet. Dabei galt es, die Herausforderungen der Datenhoheit, Authentizität und Nutzerakzeptanz in einem zukunftsfähigen System zu bündeln. Die theoretischen Erkenntnisse, insbesondere aus den Modellen von Mead und Habermas, wurden in den digitalen Kontext übertragen, um eine fundierte Basis für die Konzeption zu schaffen. Mein Ansatz beruhte auf einem iterativen Designprozess, in dem Theorie, praktische Prototypen und kontinuierliches Nutzerfeedback eng miteinander verflochten wurden.

Kreativer Prozess und Methodik

Der Entwicklungsprozess meiner Arbeit war von intensiver theoretischer Recherche und einer Vielzahl iterativer Gestaltungszyklen geprägt. Zunächst analysierte ich wissenschaftliche Literatur zu den Themen digitale Identität, Self-Sovereign Identity und die Auswirkungen von Web3-Technologien. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte ich zwei prototypische Konzeptansätze: Zum einen ein System zur Ausstellung verifizierbarer digitaler Zertifikate als nicht übertragbarer Identitätsnachweis und zum anderen eine zentrale Applikation zur Verwaltung verschiedener digitaler Teilidentitäten.

Im Rahmen dieses Prozesses setzte ich auf eine agile und nutzerzentrierte Methodik. Regelmäßige Feedbackschleifen in internen Reviews sowie in qualitativen Nutzerinterviews ermöglichten es, die Prototypen kontinuierlich zu optimieren und an die Bedürfnisse der Zielgruppe anzupassen. Abstrakte Konzepte der intersubjektiven Anerkennung wurden in konkrete UI-Elemente überführt, die den Nutzer:innen ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen vermitteln.

Gestaltungssystem und visuelle Sprache

Ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit war die Entwicklung eines konsistenten Gestaltungssystems, das die wesentlichen Werte moderner digitaler Identitätslösungen – insbesondere Sicherheit, Transparenz und Selbstbestimmung – visuell zum Ausdruck bringt. Ich entschied mich für eine ruhige, vertrauensbildende Farbpalette, die vorwiegend aus dezenten Blautönen besteht und technische Präzision mit menschlicher Zugänglichkeit verbindet.

Die visuelle Sprache meiner Konzepte basiert auf klarer Typografie und einer durchdachten Iconografie. Durch den gezielten Einsatz von Icons und visuellen Metaphern wurden komplexe Prozesse wie die Verifizierung digitaler Zertifikate oder die Verwaltung unterschiedlicher Identitätsattribute intuitiv erfahrbar gemacht. Ein markantes Element ist das eigens entwickelte Logo, das als abstrakte Kombination eines Gesichts mit einem Haken, aufgebaut aus einzelnen dezentralen Blöcken, die digitale Identität und die damit verbundene Sicherheit symbolisiert. Dieses konsistente visuelle Konzept zog sich durch alle Anwendungen und stärkte den Wiedererkennungswert der Prototypen.

UX/UI-Design und technische Umsetzung

Im Rahmen meiner Arbeit entwickelte ich zwei zentrale Prototypen, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Einerseits fokussierte ich mich auf die visuelle Gestaltung einer Smartphone-App, die als zentrale Lösung zur Verwaltung der eigenen digitalen Identität dient. Da Smartphones heute einen tiefen Stellenwert im Alltag haben und eng mit der persönlichen Identitätsausprägung verknüpft sind, sollte diese App intuitiv und nutzerfreundlich sein. Die Umsetzung und Testung des App-Konzepts erfolgte mittels Figma, wobei besonderer Wert auf eine klare Informationsarchitektur, ansprechende Visuals und einfache Interaktionsmuster gelegt wurde.

Andererseits entwickelte ich TrueID SBT, einen Prototypen, der die technische Machbarkeit eines digitalen Identitätsnachweises demonstriert. Dabei wird ein Hochschulabschluss als nicht übertragbarer Soulbound Token erstellt, verwaltet und verifiziert. Technisch realisierte ich dieses Konzept mithilfe von React und Tailwind CSS für das Frontend, während der Smart Contract in Solidity unter Einsatz der Remix IDE programmiert wurde. Für die Speicherung sensibler Daten kam Pinata IPFS zum Einsatz, MetaMask ermöglichte die nahtlose Wallet-Integration, und etablierte Libraries sorgten für die Kommunikation mit dem Smart Contract. Dieses technische Konzept belegt, dass dezentrale Identitätslösungen nicht nur gestalterisch attraktiv, sondern auch technisch realisierbar sind.

Herausforderungen, Lösungsansätze und Lernerfahrungen

Die Umsetzung des Projekts stellte mich vor verschiedene Herausforderungen, die sowohl technischer als auch gestalterischer Natur waren. Eine wesentliche Schwierigkeit bestand darin, sich in neue Technologiebereiche des Web3 und der dezentralen Identitätsverwaltung einzuarbeiten und theoretische Modelle der Soziologie in konkrete, nutzerzentrierte Designentscheidungen zu überführen – ein Prozess, der durch ständige Iterationen geprägt war.

Besonders herausfordernd war es, die Komplexität der zugrunde liegenden Technologien für den Endnutzer erlebbar und verständlich zu machen, ohne die technische Tiefe zu vernachlässigen. Durch regelmäßige Feedbackschleifen und den Austausch mit meinen Betreuer:innen konnten diese Hürden überwunden werden. Die gewonnenen Erkenntnisse unterstreichen, dass die Verbindung von interdisziplinärem Wissen und agiler Methodik entscheidend für die Entwicklung innovativer und nachhaltiger Lösungen im Bereich digitaler Identität ist.

Ergebnis und Wirkung des Projekts

Das Endergebnis meiner Masterarbeit zeigt sich in zwei komplementären Konzepten, die zusammen ein umfassendes Bild moderner digitaler Identitätslösungen zeichnen. Die entwickelte Webanwendung TrueID SBT demonstriert, wie ein digitaler Hochschulabschluss als nicht übertragbarer Zertifikatsnachweis – in Form eines Soulbound Tokens – erstellt, verwaltet und verifiziert werden kann. Parallel dazu veranschaulicht der High-Fidelity-Prototyp der Smartphone-App, wie verschiedene digitale Teilidentitäten in einer zentralen Anwendung übersichtlich zusammengeführt und gesteuert werden können.

Die Evaluation beider Konzepte ergab, dass insbesondere eine nutzerzentrierte Gestaltung und die transparente Darstellung komplexer Abläufe entscheidend für die Akzeptanz solcher Systeme sind. Die Verbindung von soziologischen Ansätzen mit praxisnahen Designstrategien ermöglichte es, die Herausforderungen der digitalen Identitätsbildung differenziert zu adressieren. Die Arbeit legt damit dar, dass dezentrale Identitätslösungen sowohl technisch realisierbar als auch gesellschaftlich relevant sind und einen zukunftsweisenden Ansatz für den Umgang mit digitalen Identitäten bieten.

Die Ergebnisse meiner Arbeit bieten einen differenzierten Einblick in die Möglichkeiten und Herausforderungen der Gestaltung digitaler Identitäten im Zeitalter von Web3. Der entwicklungsbezogene Ansatz, der sowohl visuelle als auch technische Lösungen umfasst, leistet einen Beitrag zum fortlaufenden Diskurs über moderne Identitätskonzepte und deren praktische Umsetzung in einer zunehmend digitalisierten Welt.

Rückblickend hat mir dieses Projekt wertvolle Einsichten in die Verbindung von Theorie, Technik und Design vermittelt. Auch wenn ich weiterhin das Potenzial sehe, einzelne Aspekte weiterzuentwickeln, bin ich insgesamt mit den erzielten Ergebnissen zufrieden. Die Arbeit reflektiert meine interdisziplinäre Herangehensweise, indem sie zeigt, wie neue technologische Ansätze genutzt werden können, um komplexe gesellschaftliche Fragestellungen zu adressieren.  Ich bin sehr froh über die Arbeit und die daraus gewonnene Erkenntnisse und steht zumal sehr gut exemplarisch für meine Positionierung als interdisziplinärer Designer: Jemand, der technisches Neuland betritt, um komplexe gesellschaftliche Herausforderungen gestalterisch wie funktional zu lösen.